Das liberale Propaganda-Handbuch

Der Einfluss, den Propaganda auf das eigene Denken und Handeln hat wird meiner Ansicht nach von vielen Menschen weit unterschätzt:

1. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass die bedeutenden Massenmedien aufgrund von Qualitätskontrollen in der Regel zuverlässige Informationen bieten. Im Pressekodex, der die Berufsethik der Printmedien und deren Online-Ausgaben konkretisiert steht dazu: »Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse« (Pressekodex, Fassung vom 11. September 2019, Ziffer 1).

2. In den heutigen westlichen Demokratien besteht ein gravierender Mangel an unabhängigen Quellen. Zum Beispiel untersteht das Robert Koch-Institut dem Bundesministerium für Gesundheit und wird daher die Politik der Bundesregierung unterstützen. Angehörige des öffentlichen Diensts, unter anderem Professoren an staatlichen Hochschulen, müssen Rücksicht nehmen auf die Belange ihres Dienstherren. Vertreter von Großunternehmen, Verbänden und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen haben in der Regel ein großes Interesse am Wohlwollen einflussreicher Politiker.

3. Groß ist der Einfluss, den Massenmedien durch das Weglassen von Informationen ausüben. Vorkommnisse, über die die bedeutenden Massenmedien nicht informieren bleiben fast der gesamten Bevölkerung unbekannt und damit ohne Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wenn die bedeutenden Massenmedien zu einem politischen Thema nur die von Vertretern oder Anhängern westlicher Regierungen vertretenen Standpunkte präsentieren, dann scheinen nur diese Standpunkte diskussionswürdig zu sein.

Ein meiner Ansicht nach für Nutzer von Medienbeiträgen sehr hilfreicher Ansatz für die Erkennung von Propaganda basiert auf einer Trennung der Begriffe Propaganda und Kommunikation. Durch diese Herangehensweise wird deutlich, dass eine Regierung in einem westlichen System mit vielen unabhängig wirkenden Massenmedien die Öffentlichkeit besser beeinflussen kann als in einem System mit allgemeiner Zensur und gleichgeschalteten Massenmedien.

Abgrenzung der Begriffe Propaganda und Kommunikation

Der Begriff Propaganda umfasst nach meiner Definition nur Medienbeiträge – alle Medienbeiträge, die die Nutzer dieser Medienbeiträge zu mindestens einer Fehleinschätzung verleiten und dadurch mindestens eine Regierung, Behörde, politische Organisation oder Interessengruppe begünstigen. Propaganda im Sinne dieser Definition ist immer auf Täuschung ausgelegt. Ein solcher Täuschungseffekt kann von den Herstellern des Medienbeitrags beabsichtigt sein oder nicht. Welche Absichten die an der Herstellung oder Verbreitung von Propaganda beteiligten Personen verfolgen ist den Nutzern dieser Medienbeiträge in der Regel unbekannt.

Der Begriff Kommunikation bezeichnet eine Tätigkeit, die darauf abzielt, einen bestimmten Personenkreis zu beeinflussen und die darin besteht, diesem Personenkreis Informationen zu übermitteln, entweder indirekt mit Massenmedien oder Nachrichtenagenturen als zwischengeschalteten Dienstleistern oder direkt, zum Beispiel durch Internet-Angebote und Prospekte in Papierform für Privatpersonen. Dies ist Kommunikation im Sinne der US-Militärdoktrin, Kommunikation im Sinne eines Instruments zur Ausübung von Macht.

Die Kommunikation westlicher Regierungen und der für sie tätigen oder mit ihnen verbundenen Organisationen und Personen ist gewöhnlich vom Typ Public Affairs. Diese Art der Kommunikation soll die Wahrnehmung oder Einstellung der zu einem bestimmten Personenkreis gehörenden Menschen beeinflussen.

Public Affairs umfasst insbesondere: Massenmedien und Nachrichtenagenturen mit Informationen versorgen, Beziehungen zu Journalisten und Führungskräften von Medienunternehmen pflegen, außerdem beobachten, wie die interessierenden Themen in den Massenmedien behandelt werden. Inhaltlich gesehen besteht Public Affairs im Wesentlichen in der Verbreitung von Narrativen. Ein Narrativ ist gemäß US-Militärdoktrin eine kurze Geschichte, die bestimmte Vorhaben oder Sachverhalte erklärt und einordnet und dabei helfen soll, die eigenen Ziele zu erreichen.

Westliche Regierungen haben durch ihre Kommunikation sehr viel Einfluss auf die eigene Bevölkerung, vor allem weil die bedeutenden Rundfunkveranstalter (Fernsehen, Radio), Presseverlage (Zeitungen, Zeitschriften) und Nachrichtenagenturen in der Regel dabei behilflich sind, die Narrative der eigenen Regierung und ihrer Verbündeten im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Derartige Massenmedien verbreiten nicht nur die Kommunikation westlicher Regierungen, sondern bekämpfen auch hierzu im Widerspruch stehende Narrative, indem sie diese weglassen, unvorteilhaft präsentieren, als falsch hinstellen oder verzerrt wiedergeben und dadurch abwegig erscheinen lassen.

Vorteilhaft für westliche Regierungen sind auch die folgenden Punkte:

1. Für Nutzer von Massenmedien ist staatliche Kommunikation häufig nicht als solche erkennbar. Dies gilt insbesondere, wenn Nichtregierungs-Organisationen oder andere Kooperationspartner einen Teil der staatlichen Kommunikation übernehmen, ohne die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen. Außerdem kann staatliche Kommunikation über Nachrichtenagenturen in Medienbeiträge einfließen.

2. Eine durch staatliche Kommunikation übermittelte Botschaft ist besonders wirkungsvoll, wenn sie von fast allen bedeutenden Massenmedien verbreitet wird, wenn diese Massenmedien unabhängig wirken und wenn die Botschaft in viele Medienbeiträge einfließt und daher vom Publikum wiederholt aus unterschiedlichen Quellen zur Kenntnis genommen wird.

Die Bedeutung der Kommunikation vom Typ Public Affairs

Kenntnisse über die Kommunikation vom Typ Public Affairs helfen dabei, dem Einfluss von Propaganda zu widerstehen. Bedeutsam für diesen Zweck sind die Grundsätze der Kommunikation vom Typ Public Affairs (insbesondere: Synchronisation der Kommunikation, Bekämpfung widersprechender Narrative), die bei dieser Art der Kommunikation verwendeten Beeinflussungstechniken (unter anderem Wiederholung von Botschaften, Nutzung lebhafter Informationen, Experten, Ad-Hominem-Argumente, Dehumanisierung einschließlich Stigmatisierung) und wie Journalisten hierbei behilflich sind (unter anderem durch das Weglassen oder Beschönigen von Informationen, die dem Ansehen der eigenen Regierung oder ihrer Verbündeten schaden könnten).

Diese Punkte sind in meinem liberalen Propaganda-Handbuch ausführlich behandelt.

Viele der für die Kommunikation vom Typ Public Affairs verwendeten Beeinflussungstechniken werden auch genutzt, um Medienbeiträge unterhaltsam zu machen. Beispiele für als unterhaltende Stilmittel eingesetzte Täuschungsmethoden sind die verzerrte Darstellung von Sachverhalten, Ad-Hominem-Argumente, die Nutzung des fundamentalen Attributionsfehlers, die Verwendung erfundener Informationen und die Wiedergabe von fragwürdigen Informationen, als handle es sich hierbei um Tatsachen. Sich von anderen täuschen lassen kann Spaß machen.

Sehr gut zur Beeinflussung der Öffentlichkeit geeignet sind auch fiktionale Werke wie Spielfilme, Fernsehserien, Videospiele und Romane. Beispiele hierfür liefern Hollywood-Filme über den Krieg der US-Regierung und ihrer Verbündeten gegen Japan von 1941 bis 1945. Man vergleiche die hierin enthaltene Beschreibung der Kampfhandlungen mit Abschnitt »2.3 / Tiere abschlachten (Doppel-Dehumanisierung)« aus meinem liberalen Propaganda-Handbuch. Menschen nutzen fiktionale Werke auch als Informationsquellen.

Täuschung über den Ablauf von Kampfhandlungen und den Alltag von Soldaten im Krieg ist erforderlich, um den Soldatenberuf ehrenhaft und attraktiv wirken zu lassen. Der Beitrag, den Hollywood-Filme hierzu leisten ist unbezahlbar. In die gleiche Richtung gehen die geschönten Bilder vom Militär in Nachrichtensendungen und Reden von Politikern. Der US-Präsident sagte im Zusammenhang mit dem zweiten Golfkrieg, die Einstellung der US-Soldaten sei geprägt von Ehrgefühl und Anstand.

Ein besonders wichtiger Grundsatz, nach dem westliche Regierungen ihre Bevölkerung beeinflussen ist die Synchronisation der Kommunikation. Nach diesem Grundsatz sollen sämtliche Informationen, die eine Regierung und die für sie tätigen Behörden, Organisationen und Personen verbreiten und sämtliche Informationen, die über den Einsatz der staatlichen Machtinstrumente an die Öffentlichkeit gelangen zu einem bestimmten Thema ein widerspruchsfreies Bild ergeben. Hierzu sollen die gesamte Kommunikation und der Einsatz der übrigen Machtinstrumente aufeinander abgestimmt sein.

Nach diesem Grundsatz gilt insbesondere: Eine Regierung formuliert zu einem für sie wichtigen Thema ein Narrativ. Alle für die Regierung tätigen Behörden, Organisationen und Personen verbreiten Narrative, die mit dem Narrativ der Regierung kompatibel sind und, falls machbar, dieses sogar untermauern oder bekräftigen. Darüber hinaus werden alle staatlichen Machtinstrumente so eingesetzt, dass das hierdurch für die Öffentlichkeit entstehende Bild zum Narrativ der Regierung passt und damit dessen Überzeugungskraft erhöht.

Beispiele:

a) Die US-Regierung behauptet, dass die russische Regierung den Ausgang der letzten US-Präsidentenwahl beeinflusst hat. Um ihr Narrativ glaubwürdig erscheinen zu lassen bewirkt sie, dass das FBI in dieser Sache intensive Ermittlungen aufnimmt und die Öffentlichkeit laufend über alles informiert, was zum Narrativ der US-Regierung passt.

b) Der Bayerische Ministerpräsident beim Corona-Gipfel im November 2020: »Wir dürfen keine Zeit verlieren. Die Todeszahlen sind aktuell so hoch, als würde jeden Tag ein Flugzeug abstürzen.« Die damals geltende Pflicht, in vielen Situationen eine Mund-Nasen-Maske zu tragen verstärkte die Wirkung dieses Narrativs. Denn wer eine solche Maske trägt wird an die Bedrohung erinnert und wer Maskenträger sieht ebenfalls. Hilfreich waren auch Fernsehbilder von Politikern und Prominenten, die in Situationen eine Mund-Nasen-Maske trugen, in denen dies nach den damaligen Corona-Vorschriften überflüssig war.

c) Der Libyen-Krieg diente nach dem Narrativ der US-Regierung zum Schutz der Zivilbevölkerung vor dem brutalen Unterdrücker Gaddafi. Hierzu passte das von der UN-Botschafterin der US-Regierung verbreitete Narrativ, Soldaten der Gaddafi-Truppen erhielten Viagra, damit sie Frauen vergewaltigen können.

Ein aus liberaler Sicht besonders wichtiges Thema ist die staatliche politische Repression gegen politische Vereinigungen, die eine Bedrohung der bestehenden Verhältnisse darstellen könnten. Die hierzu dienende staatliche Kommunikation zielt vor allem auf die Stigmatisierung derartiger Vereinigungen und ihrer Mitglieder und Anhänger (insbesondere als extremistisch, dem Extremismus nahestehend und/oder potenziell kriminell). An Wirkung gewinnt diese Kommunikation durch flankierende Maßnahmen wie zum Beispiel politische Justiz, den Kampf gegen »Fake News«, die Instrumentalisierung der Polizei, um dem Ansehen von Demonstranten zu schaden, Druck auf Betreiber von Social-Media-Plattformen, damit diese Abweichler benachteiligen und den Einsatz von Spitzeln, wodurch häufig Anlässe für negative Berichte über die infiltrierten Vereinigungen entstehen. Auch dies folgt dem Prinzip der Synchronisation der Kommunikation.

Meine Konzentration auf Kommunikation vom Typ Public Affairs bewirkt, dass das liberale Propaganda-Handbuch vor allem freiheitsfeindliche Propaganda behandelt. Hierdurch wird deutlich, wie die heutigen westlichen Demokratien aus liberaler Sicht einzuschätzen sind.